Dezember 2024

Scrum oder OKRs? Beides.

Selten erwähnt man in einem Gespräch Agile Methoden für Teams und OKRs. Aus meiner Sicht ist das ein Fehler, denn Scrum (wahlweise auch Kanban o.Ä.) und OKRs ergänzen sich ganz wunderbar, wenn man die jeweiligen Stärken versteht.
Grundsätzlich steht jede Methode für sich und hat ihre eigenen Anhänger. Wir sollten aber keine Scheuklappen tragen und bewusst über unseren Methoden-Tellerrand blicken.

Scrum setzt am Team an. Es bietet einen klaren Rahmen für Zusammenarbeit, Transparenz und kontinuierliche Verbesserung. Teams können in kurzen Zyklen arbeiten, sich selbst organisieren und iterativ Ergebnisse liefern. Das motiviert und schafft Sinnhaftigkeit im Alltag. Jedoch ist es für einzelne Teams oft schwierig – vor allem in größeren Unternehmen – sich mit der Mission ihrer Organisation zu identifizieren und zu verstehen, wie ihr Beitrag sich auf das Erreichen der Ziele auswirkt.

OKRs dagegen haben ihren Ursprung in der Unternehmensstrategie. Sie setzen ambitionierte Ziele, die durch konkrete Ergebnisse messbar werden. Zusätzlich bricht OKR die Ziele in kleinere Stücke, indem pro Quartal geplant wird. So helfen OKRs Unternehmen, ihre langfristige Vision greifbar zu machen und bringen diese den Teams über konkrete Key Results näher.

Der Unterschied im Fokus – hier die operative Umsetzung im Team, dort die strategische Ausrichtung – macht die beiden Frameworks nicht inkompatibel, sondern zu einer idealen Kombination. Leider wird diese Chance in der Praxis oft nicht erkannt.

Man begegnet Unternehmen, die Scrum und OKRs getrennt voneinander betrachten. Teams fokussieren sich auf ihren Sprint, während die großen Unternehmensziele unberührt in Strategiepapiere geschrieben bleiben. Dabei könnten OKRs genau die Brücke sein, die den Teams zeigt, warum ihre Arbeit zählt. Und Scrum ist das Werkzeug, mit dem diese Ziele in umsetzbare Schritte übersetzt werden.

Wenn Scrum und OKRs zusammen genutzt werden, entsteht eine Verbindung zwischen dem „Was“ und dem „Wie“. Es ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch – und genau das macht den Unterschied.

November 2024

Schau voraus, nicht zurück! Wie starke Key Results Erfolg garantieren
In meinem Blogartikel vom Oktober habe ich über verschiedene Fehler bei der Implementierung von OKRs gesprochen und dabei den Unterschied zwischen leading und lagging indicators angesprochen.
Daran möchte ich hier gerne anknüpfen, denn leading indicators sind für mich ein wahrer Gamechanger bei den OKRs, die wirklich einiges verändern können.
Wäre es so einfach, seine Ziele direkt zu erreichen, wären OKRs nicht so erfolgreich. Sehr einfache Ziele, wie „Ich möchte mehr Sport treiben“, erreicht man mit etwas Willenskraft oft noch ohne das Ausarbeiten von Key Results. Bei komplexeren Zielen allerdings, wie etwa „Ich möchte mir Ende des Jahres die Beförderung zum Abteilungsleiter sichern“, ist der Weg nicht so offensichtlich.
Es stellen sich Fragen wie: Was sind die relevanten Kriterien, die diese Beförderung möglich machen? Welchen Einfluss habe ich auf diese Kriterien?
Bleiben wir beim Beispiel der Beförderung. Ich arbeite als Verkäufer in einer Dienstleistungsfirma und muss andere Unternehmen kontaktieren und unsere Leistung bewerben. Jeder erfolgreiche Vertragsabschluss zählt für meine Jahresbewertung
Ich weiß, um Abteilungsleiter zu werden, müssen meine Verkaufszahlen noch mindestens um 20 % steigen. Aktuell bin ich bei 100 erfolgreichen Abschlüssen pro Quartal.
Der Einfachheit halber nehmen wir die Verkaufszahlen als einziges Kriterium an. Wichtig ist, auf dieses Kriterium habe ich einen Einfluss und kann entsprechend mit meinen Key Results auf steigende Verkäufe hinarbeiten.
Wäre „Steigere Verkaufszahlen im nächsten Quartal um 20 %“ ein gutes Key Result?
Nein, denn es beschreibt ein Resultat, das ich erst am Ende des Quartals wirklich bewerten kann, ein lagging indicator also.
Also anders – wie erreiche ich einen Anstieg der Verkaufszahlen?
Hier muss man tiefer gehen und Zusammenhänge bewerten: Verkäufe werden durch direkte Kontaktaufnahme mit anderen Unternehmen initiiert. So ein „cold call“ hat eine durchschnittliche Chance von sagen wir 10 %, zu einem erfolgreichen Verkauf zu führen.
Wenn ich also nicht das Ergebnis (20 % Verkaufsanstieg am Ende des Quartals) messen möchte, sondern meinen Weg dorthin, könnte ein Key Result folgendermaßen aussehen:
„Steigere die durchschnittliche wöchentliche Anzahl der Kontakte von 63 auf 75 durch Erweiterung des Einzugsbereichs.“
(Ich erkläre kurz, wie ich auf 75 komme: Um die mindestens 120 erfolgreichen Abschlüsse pro Quartal (100 + 20 %) zu erreichen, muss ich durchschnittlich 7,5 Verkäufe pro Woche erzielen. 7,5 Verkäufe entsprechen etwa 75 Kontakten mit 10 % Erfolgswahrscheinlichkeit.)
Mein Key Result zielt also genau auf die Aktionen ab, auf die ich einen 100%igen Einfluss habe und die meinem gewünschten Resultat bedingend vorausgehen. Zudem ermöglicht es mir, auf wöchentlicher Basis zu überprüfen, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin oder ob ich Anpassungen vornehmen muss, um mein Ziel am Ende des Quartals zu erreichen.
In diesem Fall ist es natürlich trotzdem sinnvoll, nicht nur die durchgeführten Kontakte, sondern auch die tatsächliche Konvertierung zu Verkäufen wöchentlich zu messen, da Verkäufe in der Realität Fluktuationen unterliegen.

Oktober 2024

OKRs sind einfach zu verstehen, aber nicht einfach umzusetzen

OKRs basieren auf einem bestechend einfachen Konzept: Man formuliert ein qualitatives Ziel als gewünschten Zukunftszustand und dazu gewisse zielführende Schritte, die quantitativ messbar sind. Dennoch haben viele Unternehmen Probleme bei der richtigen Implementierung und verwerfen die Methode wieder.

Die Theorie ist natürlich der einfache Teil, quasi ein Werkzeugkasten zur Zielsetzung. Der deutliche schwierigere Teil besteht in der Erstellung relevanter, wertschaffender Ziele und Key Results und ihre letztendliche Umsetzung und Nachverfolgung.
Aus diesem Grund habe ich eine kleine Liste von Problemen gesammelt, die ich bisher bei der Implementierung von OKRs beobachten durfte und dir ihr euch besser spart:

Problem 1: Man verwechselt OKRs mit KPIs
Key Performance Indicators wirken fast schon verstaubt und doch erfüllen sie unbestreitbar einen Zweck: Sie definieren Grenzwerte und messen anhand derer den Gesundheitszustand des alltäglichen Geschäfts einer Firma, z.B. liegt unsere durchschnittliche Marge bei 30%? Sie sind in ihrer Natur eher statisch und nicht dazu gedacht Disruptionen und Innovation anzuregen. Das ist der Job von OKRs. Daher sollte vorher auch klar sein, wo eine Veränderung erreicht werden soll und wo entsprechend OKRs sinnvoll eingesetzt werden können. Wird eine Innovation irgendwann als Standard akzeptiert, kann ein KPI dazu definiert werden. Die zwei Ansätze sind also komplementär.

Problem 2: Zu viele OKRs pro Planungzeitraum

Das ist ein häufiges Problem und es hängt grundlegend mit schlechter Priorisierungsfähigkeit auf Managementebene zusammen. In meinem Artikel zum August bin ich auf den Faktor Fokus schon im Detail eingegangen und werde ihn hier deshalb nicht weiter ausführen. Um dies auf OKRs anzuwenden, lässt sich sagen, dass es auch manchmal richtig sein kann für ein Unternehmen nur ein OKR pro Planungsperiode zu haben. Es sollten aber nie mehr als fünf sein.

Problem 3:Lagging statt leading indicators bei den Key Results (KR)
Die Erstellung von Key Results auf Basis von leading indicators (vorlaufende Indikatoren) erfordert ein gewisses Umdenken und entsprechend fallen viele Firmen auf lagging indicators (nachlaufende Indikatoren) zurück, die uns gedanklich näher liegen. Damit raubt man seinen KR Effektiviät. Am besten zeigt es sich an einem Beispiel:
Objective (nach Weihnachten): Ich möchte durch eine gesundere Lebensweise fitter werden um mich in meinem Körper wieder wohl zu fühlen!

Ein zugehöriges KR mit lagging indicator könnte so klingen: Ich nehme pro 14 Tage ein Kilo Gewicht ab.
Ein KR mit leading indicator könnte so klingen: Ich reduziere meine tägliche Kalorienzufuhr um ca. 20 Prozent indem keine Snacks esse.

Hier wird deutlich, dass das erste KR ein Ergebnis eines Verhaltens definiert, jedoch nicht das zielführende Verhalten dazu. Man weiß erst am Ende der zwei Wochen, ob man wirklich ein Kilo abgenommen hat. Damit KR sicher erfolgreich umgesetzt werden können, sollten sie die Verhaltensveränderung beschreiben, die zu dem gewünschten Ziel führt.

Problem 4: Der Planungshorizont der OKRs passt nicht zur Geschwindigkeit des Unternehmens
Dieser Implementierungsfehler passiert schnell, lässt sich aber durch aufmerksames Beobachten und Adaptieren auch genauso schnell wieder beheben. Obwohl das OKR Framework im Standard einen Zeitraum von drei Monaten nennt, kann das in jungen dynamischen Unternehmen, oder turbulenten Zeiten, zu lange sein. In der Folge sind die OKRs irrelevant sobald sie veröffentlich sind und die Mitarbeiter hören irgendwann auf sie zu aktualisieren. Hier sollte man direkt eingreifen und mit Hilfe des Feedbacks der Mitarbeiter kürzere Frequenzen planen.

Problem 5: OKRs an Hierarchie statt an Funktionalität ausrichten
Wenn die Ziele eines Quartals pro Abteilung gesetzt werden und zwischen den einzelnen Abteilungen Abhängigkeiten bestehen, kann das zu Konflikten führen. Diese werden noch größer, wenn die Erreichung der OKRs mit der Bewertung der Mitarbeiter oder eventuellen Boni verknüpft sind. Warum sollte Mitarbeiter 1 Zeit investieren um Mitarbeiter 2 bei der Erreichung seines Ziels zu helfen, wenn er diese Zeit genauso in die Erreichung seines eigenen Ziels investieren könnte? Generell macht es Sinn individuelle Boni und OKRs zu trennen, jedoch muss man auch den Arbeitsfluss innerhalb des Unternehmens berücksichtigen. Oft erreicht man ein effektiveres Arbeiten wenn man funktionsübergreifende Teams für OKRs formt, sodass keine Abhängigkeiten nach Außen bestehen.

Diese Liste an Problemen ist natürlich nicht abschließend, sollte man diese Fehler allerdings umgehen können, ist man bei seiner OKR Implementierung schon auf einem guten Weg!

September 2024

Wenn Agilität in Unternehmen auf das sogenannte „Glass Ceiling“ trifft.

Agile Methoden wie Scrum und Kanban sind überall, von kleinen Start-Ups zu großen Konzernen. Das ist verständlich, denn sie versprechen höhere Flexibilität, schnellere Produktentwicklung und mehr Innovation.

Vor allem Management preist diese moderne Abeitsweise gerne an, wenn das Unternehmen beworben werden soll, bei Auftraggebern oder potentiellen Mitarbeitern.

Viel zu oft erleben meine Kollegen und ich in der Realität allerdings, dass Worten und Taten hier auseinanderfallen:

Betrachtet man solche Unternehmen, trifft man auf der Ebene der Teams und ggf. dem unteren Management noch Menschen, die sich für Agilität begeistern und versuchen diese Arbeitsweisen in ihrem Umfeld zu etablieren. Dass agile Frameworks bottom-up aufgebaut werden, ist nachzuvollziehen, denn vor allem auf der Team-Ebene erreichen sie mehr Teilhabe und Sinnhaftigkeit in der Arbeit.

Ein oft zu beobachtendes Symptom der „Agilitätsglasdecke“ sind improvisierte Umsetzungen des Frameworks, die sich an die vorhandenen (nicht-agilen) Strukturen des Unternehmens anpassen. So hat man beispielsweise einen Product Owner als Vorgesetzten des Teams oder Teammitglieder, die auf mehreren Projekten gleichzeitig zugeteilt sind. Es ist unmöglich unter diesen Umständen ein selbst-organisiertes Team zu schaffen in dem jeder sich gleichermaßen einbringen kann.

Ein weiteres, häufig vorzufindendes Problem ist, dass das Management etablierte agile Prozesse überrennt, wenn sie kurzfristig Ergebnisse sehen wollen. In der Theorie ist die agile Arbeitsweise darauf ausgelegt, dass Teams autonom und selbstorganisiert arbeiten können. Doch wenn Führungskräfte plötzlich in Prozesse eingreifen, um ihre eigenen Ziele schneller zu erreichen, zerstören sie das Vertrauen in die Methode. Diese „top-down“-Interventionen untergraben die Prinzipien der Agilität und senden den Teams die Botschaft, dass ihre Arbeit nicht geschätzt oder ernst genommen wird.

Ist das Vertrauen in die Methode und das Management beschädigt, beeinträchtigt das auch die Produktivität. Teams müssen das Gefühl haben, dass sie in einem sicheren Umfeld arbeiten, in dem sie sich auf Prozesse und Strukturen verlassen können. Nur dann können sie sich voll einbringen und kreative Lösungen entwickeln. Wenn jedoch das Management durch unerwartetes Eingreifen Unsicherheit schürt, verlieren die Mitarbeitenden den Glauben daran, dass Agilität wirklich gelebt wird. Sie fühlen sich verunsichert und weniger motiviert.

In der Folge verlieren Teams nicht nur ihre Effizienz, sondern auch ihre Innovationskraft. Die Mitarbeitenden arbeiten nur noch reaktiv, statt proaktiv zu agieren. Die Kultur des Vertrauens, die für eine erfolgreiche agile Arbeitsweise notwendig ist, wird nachhaltig zerstört.

Und wenn dann die gewünschte Flexibilität, Produktivitätssteigerung und Innovation ausfällt? Dann „taugen diese Agilen Methoden einfach nicht bei uns“ und das Management erklärt die Rückkehr zu „business as usual“.

Fazit: Wenn Agilität erfolgreich sein soll, muss das Management die Prozesse nicht nur verstehen, sondern sie auch aktiv mittragen und respektieren. Agile Methoden sind kein „one size fits all“ aber man kann leider nicht erwarten, sie beliebig in konservative Unternehmensstrukturen zu pressen und dann trotzdem die angepriesenen Ergebnisse zu erhalten.

August 2024

Busy sein“ ist teuer

Um diesen Blog zu starten, hab ich mir ein sehr allgemeines Thema gesucht, zu dem schon viel geschrieben und gesagt wurde und mit dem trotzdem Mitarbeiter, Manager und Unternehmen ans sich immer wieder kämpfen:
Fokus.
Fokussiert zu sein ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für private wie professionelle Unternehmungen und findet sich auch in allen Agilen Ansätzen wieder. Ein klassischer Leitspruch ist das oft wiederholte „Stop starting and start finishing“, das zum Ausdruck bringt, dass eine abgeschlossene Aufgabe mehr Wert schafft als zig angefangene.
Das kann ganz verschieden aussehen:
Scrum schafft Fokus durch eine zeitliche Begrenzung (Sprints) und eine limitierte Liste an Aufgaben pro Sprint. Kanban schafft Fokus durch „Work-in-Progress-Limits“ und immer gleiche Arbeitsprozesse. OKRs schaffen Fokus durch die Reduzierung der Ziele pro Planungshorizont.
Das Ziel ist am Ende bei allen gleich: möglichst effizientes und effektives Arbeiten durch Fokus.
Dieser Ansatz ist so simple und es scheint als sei er gerade deshalb so schwer zu erreichen in unserer heutigen Gesellschaft.

Jeder von uns findet sich in mehr und mehr Terminen, Informationen strömen tagtäglich ohne Unterbrechung auf uns ein. Dazu kommt die „Geschäftigkeits-Illusion“, wir alle möchten produktiv und vor allem wichtig erscheinen und so brüstet sich der ein oder andere Kollege gerne damit, dass er einfach „so busy“ ist.
Der Preis, den wir für unseren fehlenden Fokus zahlen, ist hoch und schon seit vielen Jahren bekannt. Psychologe David Meyer hat ihn nach seiner Arbeit an dem Thema in den frühen 2000ern einmal auf etwa 40% Produktivitätsverlust bei komplexen Aufgaben beziffert. Das ist gewaltig. In Geldeinheiten umgedacht, kann man davon ausgehen, dass jedem Unternehmen dabei eine ordentliche Summe verloren geht.
Also auch auf die Gefahr hin, dass mir Unproduktivität unterstellt wird: Ich mache jetzt eins nach dem anderen.